Anfang Dezember: vor mir liegen ein dreitägiges Seminar, das noch nicht vorbereitet ist; einige Nachbereitungen vergangener sowie Vorbesprechungen künftiger Workshops; mein 40. Geburtstag, für dessen Feier ich gefühlt die halbe Wohnung werde umbauen müssen; natürlich sind noch keine Weihnachtsgeschenke gekauft und von der Jahresendabrechnung wollen wir gar nicht sprechen.

Genau für diese Zeit habe ich, Monate vorher, als ich wohl dachte „aah, Dezember, da steht noch gar nichts im Kalender!“ eine Fortbildung für mich selbst gebucht: fünf Tage Improtheater, Biographiearbeit und Kreatives Schreiben auf einer Burg in Hessen. Bildungsurlaub nennen sie das dort. Ich fühle mich zwar, als könnte ich dringend Urlaub brauchen und Bildung, immer, gerne, aber… „Das ist jetzt der denkbar ungünstigste Zeitpunkt dafür!“ schreibe ich einer Freundin. „Und vielleicht ist es deshalb genau der richtige“ setze ich, in einem seltenen Anflug von Weisheit, hinterher.

Burg Fürsteneck liegt irgendwo hinter den sieben Bergen wo Fuchs und Hase sich gute Nacht sagen. Die Anreise mit Zug und Taxi erschien mir an einem gewissen Punkt abenteuerlicher als meine Zugreise über den Balkan im vergangenen Mai. Aber vielleicht war das auch nur ein Indiz dafür, dass ich WIRKLICH DRINGEND Urlaub brauchte.

Und ich bekam ihn: sobald ich den schnee-überzuckerten Burghof betrat, blieb die Hektik draußen im Nebel. Alles was es brauchte, um zu entspannen und den Kopf frei zu bekommen war da: eine angenehme Gruppe, ausgedehnte Spaziergänge, reichhaltig-leckeres Vollwertessen eine gemütlich-erdende Atmosphäre.

Und die Bildung kam, wie der Ausschreibungstext es versprach, spielerisch-leicht und mit viel Humor daher. „Verborgene Stärken“ hieß der Kurs, mit dem etwas sperrigen Untertitel „Authentizität als Orientierungshilfe in einer komplexen Umwelt“.

Wir diskutierten, reflektierten, malten, schrieben, lachten, weinten, stellten einander Fragen, improvisierten und spielten Theater. Und ganz am Ende saßen wir in einer Runde, in der alle einander sagten, welche Stärken sie in der anderen Person wahrnahmen. Wem das jetzt zu sehr nach Hokuspokus klingt, dem empfehle ich: setz dich mal in einen Kreis und lass dir von 15 Personen, die du kennen und zu schätzen gelernt hast, erzählen, was du gut kannst. Du wirst schweben.

In zwei Modelle, mit denen ich mich schon länger befasse, konnte ich tiefer eintauchen:

Das Prinzip „Status“, das der Theatermensch Keith Johnston als erster entdeckt und nutzbar gemacht hat und mit dem immer mehr Managerinnen wie Pädagogen vertraut werden.

Und das „Innere Team“ nach Friedemann Schulz von Thun.

Beide werde ich in künftigen Blogartikeln vorstellen.

Der Trainer, Jens Clausen, den ich schon von der Sommerakademie in Blieskastel kannte, hat einen Raum eröffnet, der tiefes Lernen und Weiterentwicklung ermöglicht hat. Von seiner, im besten Sinne, reduzierten, präzisen Art anzuleiten möchte ich mir eine große Scheibe abschneiden. (Außerdem habe ich mir einige seiner Übungen in mein imaginäres Methodenköfferchen gelegt.)

Unter dem Eindruck dieser Fortbildung hat sich das dreitägige Seminar, das ich anfangs erwähnt habe, fast von selbst vorbereitet und bei der Vorbereitung meiner Geburtstagsfeier ist es mir viel besser als sonst gelungen, hinzunehmen, dass nicht alles perfekt sein wird. Die Feier wurde wundervoll. Die Jahresendabrechnung habe ich auf Januar verschoben.

Übrigens, auch für Alle, die mit Theaterpädagogik oder inneren Prozessen (noch ;-)) nicht so viel am Hut haben, lohnt es sich, das Bildungsprogramm von Burg Fürsteneck zu durchstöbern. Das ist sehr vielfältig und an der „Heimvolkshochschule“ (von denen es in der Bundesrepublik übrigens noch immer rund 40 Stück gibt) sind die Schulungen, samt Übernachtung und Vollverpflegung außerdem sehr preiswert!

Das Wort „Bildungsurlaub“ kam vorher in meinem Vokabular nicht vor, aber es wird nicht der letzte sein, den ich mir selbst genehmigt habe :-)